In industriellen Stromversorgungssystemen ist es oft notwendig, mehrere Netzteile parallel zu betreiben – entweder zur Leistungssteigerung oder für Redundanz. Beide Konzepte sind technisch machbar, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele. Während beim Parallelbetrieb die Strombelastung aufgeteilt wird, dient der Redundanzbetrieb der Ausfallsicherheit. Dieser Artikel erklärt die Unterschiede, beschreibt das Prinzip der Lastteilung (Current Share), berücksichtigt relevante Normen und zeigt praxisnah, worauf bei der Umsetzung zu achten ist.
Parallelbetrieb und Redundanz – zwei unterschiedliche Ziele
Der Parallelbetrieb und die Redundanzschaltung werden häufig verwechselt. Dabei unterscheiden sich ihre Anforderungen deutlich:
| Ziel | Beschreibung | Typische Anwendung |
|---|---|---|
| Parallelbetrieb | Mehrere Netzteile teilen sich die Last, um eine höhere Gesamtleistung zu erreichen. | Hochstromsysteme, Antriebe, industrielle Steuerungen |
| Redundanzbetrieb | Jedes Netzteil kann die volle Last übernehmen; fällt eines aus, übernehmen die übrigen. | Server, Medizintechnik, kritische Systeme |
Ein Beispiel: Zwei 10-A-Netzteile liefern gemeinsam 20 A – das ist Parallelbetrieb. Liefern zwei Netzteile je 10 A, die Last beträgt aber nur 10 A, ist das Redundanzbetrieb.
Sicherheits- und Normanforderungen
Für den sicheren Parallel- und Redundanzbetrieb gelten internationale Normen, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen:
- IEC 62368-1: Sicherheit von Audio-, Video-, Informations- und Kommunikationstechnologien.
- IEC 60950 / UL 60950: Vorgängerregelung für IT-Stromversorgungen (teilweise noch gültig).
- IEC 61010-1: Sicherheitsanforderungen für Mess- und Steuergeräte.
- EN 61204-3: EMV-Anforderungen für Gleichspannungsversorgungen.
Diese Standards sichern die Kompatibilität, EMV-Konformität und Betriebssicherheit ab.
Prinzip der Lastteilung
Beim Parallelschalten mehrerer Netzteile muss die Last so verteilt werden, dass keines überlastet wird. Schon Spannungsabweichungen von wenigen Millivolt können bewirken, dass ein Netzteil den Großteil des Stroms liefert. Zwei Verfahren sorgen für eine gleichmäßige Aufteilung: die passive und die aktive Lastverteilung.
Passive Lastverteilung (Droop Share)
Das Droop-Share-Verfahren erzeugt mit zunehmendem Strom eine gezielte Spannungsabsenkung. Je höher der Strom, desto geringer die Spannung. Dadurch gleichen sich die Stromanteile automatisch an. Das Verfahren ist einfach, aber unpräzise und daher vor allem für robuste Anwendungen geeignet.
Vorteile: einfache Schaltung, keine Kommunikation nötig.
Nachteile: ungenaue Aufteilung, Spannungsschwankungen bei Laständerung.
Aktive Lastverteilung (Current Share)
Bei der aktiven Lastverteilung kommunizieren die Netzteile über eine Current-Share-Leitung. Sie gleichen ihre Ausgangsströme kontinuierlich ab. Moderne Netzteile arbeiten dabei meist im Peer-to-Peer-Modus, ältere im Master-Slave-Prinzip.
Vorteile: präzise Lastteilung, gleichmäßige thermische Belastung, hohe Zuverlässigkeit.
Nachteile: größerer Verdrahtungsaufwand und höhere Komplexität.
Beispiel: Bei einem Mean Well-Netzteil mit Current-Share-Funktion erfolgt der Stromausgleich zwischen bis zu vier Geräten aktiv, sodass die Spannung auch bei Laständerungen stabil bleibt.
Redundante Systeme und ORing-Schaltungen
In Redundanzsystemen werden Netzteile elektrisch entkoppelt, um Rückströme zu verhindern. Hierzu dienen ORing-Schaltungen:
- Dioden-ORing: einfache, aber verlustbehaftete Lösung (Spannungsabfall 0,3–0,7 V).
- MOSFET-ORing: moderner Ansatz mit minimalem Spannungsabfall (< 0,1 V) und hohem Wirkungsgrad.
Voraussetzungen für einen stabilen Betrieb
Für einen zuverlässigen Parallel- oder Redundanzbetrieb sind folgende Punkte entscheidend:
- Identische Netzteile: gleiche Serie, Spannung, Leistung und Regelcharakteristik.
- Symmetrische Verdrahtung: gleiche Kabellängen und Querschnitte vermeiden Spannungsunterschiede.
- Saubere Masseführung: keine Masseschleifen oder Potenzialunterschiede.
- Effizientes Thermomanagement: gleichmäßige Kühlung verhindert Spannungsdrift.
- Herstellerfreigabe beachten: nur Netzteile verwenden, die für Parallelbetrieb ausgelegt sind.
Messung und Überwachung der Lastverteilung
Die Überprüfung der Stromaufteilung ist essenziell. Dazu können:
- Shunt-Widerstände oder Strommesszangen verwendet werden,
- oder digitale Schnittstellen wie PMBus, CANopen oder Modbus TCP.
So lassen sich Stromabweichungen und Überhitzung erkennen, bevor Ausfälle auftreten. Moderne Netzteile melden Warnungen bei ungleichmäßiger Lastverteilung – ein wichtiger Beitrag zur vorbeugenden Instandhaltung.
Häufige Fehler und Folgen
- Unterschiedliche Ausgangsspannungen: Bereits 0,1 V Unterschied kann die Last stark verschieben.
- Falsche Netzteilwahl: Geräte ohne Freigabe für Parallelbetrieb verursachen Instabilität.
- Asymmetrische Verdrahtung: Unterschiedliche Kabellängen führen zu Lastverzerrungen.
- Fehlende Schutzbeschaltung: Ohne ORing oder Rückstromsperre drohen Geräteschäden.
- Temperaturabhängigkeit: Erwärmte Netzteile verändern ihre Ausgangsspannung.
Beispiel: In einem Schaltschrank mit drei 24 V/10 A-Netzteilen übernahm ein Gerät 18 A, die anderen kaum. Erst durch symmetrische Verdrahtung und Current-Share-Funktion wurde die Last gleichmäßig verteilt.
Praxisbeispiel: Gebäudeautomation
In der Gebäudeautomation werden oft mehrere Netzteile parallel betrieben, um große Verbrauchergruppen zu versorgen. Entscheidend ist, dass die Spannung exakt übereinstimmt (z. B. 24,0 V). Schon 23,9 V führen dazu, dass ein Netzteil kaum Last trägt. Daher empfiehlt sich eine aktive Stromaufteilung oder getrennte Stromkreise.
Zukunftsperspektive: Intelligente Stromversorgung
Bei COTRONIC steht die Entwicklung intelligenter Stromversorgungslösungen im Mittelpunkt. Moderne Netzteile sind längst mehr als reine Spannungsquellen – sie werden zu kommunikativen Komponenten im Gesamtsystem. Über digitale Schnittstellen wie PMBus oder CANopen lassen sich Lastverteilung, Temperatur und Betriebszustand in Echtzeit überwachen und optimieren. So entstehen Netzteile, die sich aktiv an wechselnde Anforderungen anpassen und frühzeitig Wartungsbedarf signalisieren.
COTRONIC setzt dabei auf langlebige Komponenten, präzise Regeltechnik und skalierbare Leistungsarchitekturen, die speziell für den industriellen Dauerbetrieb ausgelegt sind. Mit diesen Lösungen werden Energieeffizienz, Systemstabilität und Anlagenverfügbarkeit auf ein neues Niveau gehoben.
FAQ: Häufige Fragen zum Parallelbetrieb
Wie viele Netzteile können parallel geschaltet werden?
Je nach Hersteller meist zwei bis vier Geräte mit Current-Share-Funktion.
Kann man Netzteile unterschiedlicher Leistung parallel schalten?
Nein, nur identische Netzteile ermöglichen stabile Lastverteilung.
Wie erkenne ich ungleiche Lastverteilung?
Durch Messung der Ausgangsströme oder über digitale Monitoring-Schnittstellen.
Ist eine aktive Stromaufteilung immer notwendig?
Nicht zwingend, aber bei hohen Strömen oder dynamischen Lasten dringend zu empfehlen.
Der Parallelbetrieb von Netzteilen bietet große Vorteile, wenn er korrekt umgesetzt wird. Entscheidend sind das Verständnis der Unterschiede zwischen Parallel- und Redundanzbetrieb, die Einhaltung relevanter Normen, die Wahl geeigneter Geräte und eine saubere Verdrahtung. Mit aktiver Lastverteilung (Current Share), symmetrischen Leitungen und regelmäßiger Kontrolle entsteht ein stabiles, effizientes und zukunftssicheres Stromversorgungssystem.