Was bedeutet „thermisches Derating“?
Der Begriff „thermisches Derating“ beschreibt die temperaturabhängige Leistungsreduzierung eines elektronischen Bauteils, insbesondere von Netzteilen. Steigt die Umgebungstemperatur über einen bestimmten Grenzwert, muss die abgegebene Leistung reduziert werden, um Überhitzung, thermische Belastung und langfristige Schäden zu vermeiden. Diese automatische Anpassung dient dem Schutz der internen Elektronik und sichert eine verlängerte Lebensdauer.
Beispiel: Ein Netzteil mit einer Nennleistung von 100 W kann bei 25 °C volle Leistung liefern. Steigt die Umgebungstemperatur auf 55 °C, darf es nur noch 80 % dieser Leistung abgeben, also 80 W.
Warum ist Derating bei Netzteilen notwendig?
Die elektronischen Bauteile in einem Netzteil, wie Transformatoren, Halbleiter oder Kondensatoren, erzeugen während des Betriebs selbst Wärme. In Kombination mit einer erhöhten Umgebungstemperatur kann dies zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Betriebstemperatur führen. Die Folgen reichen von verringerter Effizienz bis hin zum Totalausfall.
Viele Komponenten altern bei höheren Temperaturen schneller. Schon 10 °C mehr können die Lebensdauer deutlich verkürzen. Auch die Produktsicherheit spielt eine Rolle: Überhitzte Bauteile können zu gefährlichen Spannungszuständen führen. Normen wie IEC 62368-1 schreiben deshalb Schutzmaßnahmen vor, die durch das Derating erfüllt werden.
Einflussfaktoren auf das Derating
Umgebungstemperatur
Die meisten Netzteile liefern ihre volle Leistung bis etwa 50 °C. Darüber beginnt die Reduzierung – oft linear. Der genaue Schwellenwert variiert je nach Hersteller.
Einbauart und Luftzirkulation
Enge Montageräume und fehlende Belüftung erhöhen die Temperatur. Netzteile benötigen Mindestabstände und Luftzirkulation, um Wärme abführen zu können.
Lastprofil und Betriebsdauer
Dauerlast erzeugt mehr Wärme als intermittierender Betrieb. Einschaltstromspitzen verstärken diesen Effekt zusätzlich.
Gerätebauweise
Offene Modelle kühlen besser als gekapselte. Auch Gehäusematerial, Lüfter oder Kühlkörper beeinflussen die Wärmeabfuhr.
Weitere Einflussgrößen
- Höhenlage: Geringere Luftdichte verschlechtert die Kühlung.
- Ausrichtung: Vertikale Montage ist oft thermisch günstiger.
- Verschmutzung: Staub blockiert Lüftungswege.
Typische Derating-Kurven und wie man sie liest
Beispiel aus der Praxis
Das Netzteil MEAN WELL HDR-150-24 liefert 150 W bis 50 °C. Danach reduziert sich die Leistung wie folgt:
- 60 °C = 90 % (135 W)
- 70 °C = 70 % (105 W)
- 80 °C = 50 % (75 W)
Lesetipp:
- Temperatur auf der X-Achse bestimmen
- Prozentsatz auf der Y-Achse ablesen
- Mit Nennleistung multiplizieren
Tipp: Planen Sie 20–30 % Puffer ein, wenn mit höheren Temperaturen zu rechnen ist.
Anwendungsbeispiele für kritisches Derating
- Gebäudetechnik: Verteilerschränke auf Dachböden
- Maschinenbau: Dauerbetrieb bei enger Montage
- Medizintechnik: Geringe Lüftung bei hoher Zuverlässigkeit
- Photovoltaik: Außenaufstellung mit direkter Sonneneinstrahlung
FAQ: Häufige Fragen zum Derating
Was passiert, wenn ich das Derating ignoriere?
→ Das Netzteil kann überhitzen oder ausfallen.
Gibt es Netzteile ohne Derating?
→ Nein. Alle Geräte haben thermische Grenzen.
Kann ich das Derating durch Kühlung umgehen?
→ Teilweise. Zwangsbelüftung oder Klimatisierung kann helfen.
Wie wirkt sich die Montage aus?
→ Falsche Ausrichtung verschlechtert oft die Kühlung.
Praktische Tipps zur Auswahl und Auslegung
- Umgebung realistisch einschätzen (z. B. Sommerbetrieb)
- Puffer einplanen (z. B. 120 W statt 100 W)
- Lüftung verbessern, Mindestabstände einhalten
- Datenblätter prüfen (Kurve, Grenzwerte, Hinweise)
- Montage dokumentieren, regelmäßig reinigen
Was Sie bei DIN-Schienen-Netzteilen beachten sollten
Wenn Sie mehr über die Auswahl geeigneter Netzteile für die Hutschiene erfahren möchten, lesen Sie unseren Beitrag zur DIN-Schienen-Netzteile Übersicht. Dort finden Sie eine kompakte Zusammenstellung relevanter Produkttypen, technischer Merkmale und Einsatzbereiche.
Auch die richtige Netzteil-Auswahl spielt eine zentrale Rolle: Leistung, Spannung, Umgebung und Bauform müssen optimal zusammenpassen. Ein durchdachter Auswahlprozess reduziert spätere Probleme deutlich.
Nicht zuletzt ist die Schaltschrank Belüftung ein entscheidender Faktor beim thermischen Derating. Mit gezielten Maßnahmen wie Lüftungskonzepten oder Mindestabständen lassen sich viele thermische Probleme im Vorfeld vermeiden.
Thermisches Derating ist ein wichtiger Schutzmechanismus. Wer Netzteile sorgfältig auswählt, korrekt montiert und die thermischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, vermeidet Ausfälle und sichert eine stabile Versorgung – auch unter anspruchsvollen Bedingungen.