Warum Cybersecurity in der Stromversorgung immer wichtiger wird
Ein Blick auf reale Vorfälle zeigt die Brisanz: Beim bekannten Cyberangriff auf das ukrainische Stromnetz im Jahr 2015 konnten Hacker durch Schwachstellen in der Netzleittechnik gezielt Stromversorgungen abschalten – rund 230.000 Haushalte waren zeitweise ohne Elektrizität. Mit der zunehmenden Vernetzung industrieller Anlagen im Zuge von Industrie 4.0 rücken deshalb auch Stromversorgungen immer stärker in den Fokus der IT-Sicherheit. Intelligente Netzteile mit Remote-Zugriff, Cloud-Anbindung oder digitalem Regelverhalten bieten Komfort und Effizienz – bergen jedoch auch neue Risiken. Cyberangriffe auf solche Systeme können nicht nur den Produktionsfluss stören, sondern auch zu gravierenden Sicherheitsproblemen führen. Gleichzeitig erhöht sich durch die steigende Komplexität der Infrastruktur auch die Angriffsfläche.
Die Bedeutung der Cybersecurity wächst besonders in kritischen Bereichen wie Energieversorgung, Automatisierungstechnik und Anlagenbau. Dort, wo Produktionsprozesse auf durchgängig verfügbare Stromversorgung angewiesen sind, können bereits kleine Störungen erhebliche Folgeschäden verursachen. Intelligente Stromversorgungen sind längst nicht mehr nur passive Komponenten – sie sind aktive, vernetzte Systeme mit Software, Kommunikationsschnittstellen und Zugriffsmöglichkeiten.
Hinzu kommt, dass gesetzliche Rahmenbedingungen und Normen auf EU-Ebene verschärft werden. Mit dem Inkrafttreten der NIS-2-Richtlinie ab Oktober 2024 werden auch viele Industrieunternehmen mit neuen Pflichten konfrontiert – darunter Meldepflichten bei Vorfällen, Risikobewertungen und Nachweise über ergriffene Schutzmaßnahmen.
Mögliche Angriffsflächen bei intelligenten Stromversorgungen
Intelligente Stromversorgungssysteme bieten Angreifern verschiedene potenzielle Schwachstellen:
1. Netzwerkanbindung
Viele moderne Stromversorgungen verfügen über Ethernet-, WLAN- oder Modbus-TCP-Schnittstellen. Unzureichend abgesicherte Ports oder Standard-Zugangsdaten können von externen Akteuren ausgenutzt werden. Eine fehlende Netzwerkisolierung kann dazu führen, dass sich Schadsoftware ungehindert verbreitet – insbesondere bei veralteten Protokollen oder offenen Schnittstellen.
2. Firmware & Remote-Updates
Firmware-Updates über Fernzugriff sind praktisch – können aber bei fehlender Authentifizierung Manipulationsmöglichkeiten bieten. Ohne kryptografisch signierte Updateprozesse besteht das Risiko, dass Schadsoftware auf die Netzteile aufgespielt wird. Ein bekanntes Beispiel ist die Sicherheitslücke bei einem asiatischen Hersteller industrieller Netzteile im Jahr 2022, bei dem ein Firmware-Update-Tool unverschlüsselt kommunizierte und damit als Einfallstor für Schadcode diente. Besonders in Anlagen mit mehreren vernetzten Komponenten kann ein kompromittiertes Netzteil als Einstiegspunkt für einen umfassenderen Angriff dienen.
3. Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMI)
Benutzeroberflächen, Web-UIs oder mobile Apps zur Steuerung von Stromversorgungen müssen vor unautorisierten Zugriffen geschützt werden. Angreifer können über schwach gesicherte Webinterfaces Zugriff auf Steuerungsparameter erhalten und diese manipulieren. Auch unverschlüsselte Kommunikation zwischen HMI und Netzteil kann abgefangen und missbraucht werden.
4. Integration in Leitsysteme
Werden Stromversorgungen in übergeordnete Systeme wie SCADA, SPS oder DCS eingebunden, steigt die Komplexität und damit die Gefahr von Seiteneffekten bei Angriffen. Besonders kritisch sind Angriffe, die über lateral movement benachbarte Systeme kompromittieren oder Produktionsdaten manipulieren.
5. Drittanbieter-Komponenten
Viele Stromversorgungslösungen bestehen aus Modulen unterschiedlicher Hersteller. Ohne einheitliches Sicherheitsniveau können Schwachstellen an Schnittstellen oder in weniger geschützten Komponenten entstehen, die als Einfallstor dienen.
6. Kommunikation über unsichere Protokolle
Protokolle wie IEC 60870-5, IEC 61850 oder ältere Modbus-Varianten werden oft unverschlüsselt verwendet. Das macht es für Angreifer leichter, Daten abzufangen oder zu manipulieren. Die IEC 62351-Norm bietet hier Schutzmechanismen wie Verschlüsselung, Authentifizierung und Integritätsprüfung.
Konsequenzen mangelnder Cybersecurity
Ein erfolgreicher Angriff auf die Stromversorgung kann erhebliche Folgen haben:
- Ausfall kritischer Prozesse durch gezieltes Abschalten oder Überlasten
- Zerstörung von Hardware durch Überspannung oder falsche Steuerbefehle
- Produktionsstillstand mit wirtschaftlichen Verlusten
- Manipulation von Sensordaten durch Einspeisung falscher Werte
- Haftungsrisiken bei Personenschäden oder Datenverlusten
- Verlust von Prozessdaten, die für Qualitätssicherung und Nachweispflichten entscheidend sind
- Reputationsschäden und Vertrauensverlust gegenüber Kunden und Partnern
- Nicht-Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, z. B. der NIS-2-Richtlinie, ISO/IEC 27001 oder BSI-KritisV
Cyberangriffe können nicht nur finanziellen Schaden verursachen, sondern auch regulatorische und juristische Konsequenzen nach sich ziehen – vor allem in sicherheitskritischen Bereichen wie Energie, Gesundheitswesen oder Fertigung.
Strategien für mehr Sicherheit
Eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie sollte technische, organisatorische und prozessorientierte Maßnahmen kombinieren. Entscheidend ist ein durchgängiges Sicherheitskonzept von der Auswahl der Hardware bis zur Integration in bestehende IT-Strukturen.
1. Sichere Hardware-Auswahl
Setzen Sie auf Industrie-Netzteile mit dokumentierten Sicherheitsmerkmalen, verschlüsselter Kommunikation und Benutzerrechteverwaltung. Unsere Digital Power Netzteile bieten z. B. überwachte Schnittstellen, programmierbare Grenzwerte und überlastsichere Schaltungen. Achten Sie bei der Auswahl auch auf herstellerseitige Sicherheitszertifikate, Updatezyklen und idealerweise eine Konformität mit IEC 62443.
2. Zugangskontrolle & Authentifizierung
Stellen Sie sicher, dass alle HMI- oder Webzugänge nur mit starken Passwörtern und Zwei-Faktor-Authentifizierung erreichbar sind. Verwenden Sie rollenbasierte Zugriffssysteme, die sensible Funktionen (z. B. Shutdown oder Reset) nur autorisierten Personen erlauben. Überwachungssysteme sollten zudem Login-Versuche und Änderungen protokollieren.
3. Regelmäßige Firmwarepflege
Führen Sie Updates gezielt, versioniert und dokumentiert durch. Verwenden Sie nur signierte Firmware vom Hersteller und planen Sie regelmäßige Prüfungen auf Sicherheitslücken ein. Ein zentrales Patch-Management-System kann dabei unterstützen, alle Geräte im Feld aktuell zu halten. Dies ist besonders relevant, wenn Netzteile über mehrere Jahre im Einsatz bleiben.
4. Netzwerksegmentierung
Trennen Sie die Stromversorgungssysteme vom offenen Firmennetz. Verwenden Sie Firewalls, VLANs und dedizierte Industrieprotokolle mit Authentifizierungsmechanismen. Vermeiden Sie unnötige Verbindungen zum Internet und setzen Sie auf Prinzipien wie „least privilege“ und „zero trust“. Die Trennung von IT- und OT-Netzen sollte strukturell geplant und dokumentiert sein.
5. Monitoring & Logging
Implementieren Sie Systeme zur Überwachung von Zugriffen und Funktionsparametern. Anomalien sollten automatisiert erkannt und gemeldet werden. Nutzen Sie dabei Tools, die speziell auf OT-Umgebungen ausgelegt sind und auch physikalische Parameter mit einbeziehen können. Eventbasierte Alarmierungen und zentrale Log-Auswertung helfen bei der frühzeitigen Erkennung.
6. Schulung & Sensibilisierung
Cybersecurity beginnt beim Menschen. Schulen Sie Ihr Personal regelmäßig zu Themen wie Phishing, Passwortsicherheit und sichere Bedienung von Steuerungssystemen. Nur wenn Technik und Mensch zusammenspielen, entsteht ein wirklich sicheres System. Ergänzen Sie Schulungen um praxisnahe Übungen und Planspiele.
7. Orientierung an internationalen Normen
Nutzen Sie bewährte Normen und Standards wie:
- IEC 62443 deckt das gesamte Sicherheitsmanagement von industriellen Automatisierungs- und Steuerungssystemen ab – von der Risikobewertung über die Netzwerkarchitektur bis zur sicheren Produktentwicklung.
- IEC 62351 konzentriert sich speziell auf den Schutz von Kommunikationsprotokollen in der Energieautomatisierung – etwa durch Verschlüsselung, Authentifizierung und Datenintegrität.
- ISO/IEC 27001 legt die allgemeinen Anforderungen an ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) fest und ist branchenübergreifend relevant.
- NIS-2-Richtlinie stellt regulatorische Mindestanforderungen an Betreiber kritischer Infrastrukturen und verpflichtet Unternehmen zu Risikomanagement, Meldepflichten und organisatorischen Maßnahmen.
Diese Normen ergänzen sich: Während IEC 62443 den industriellen Kontext strukturiert adressiert, schützt IEC 62351 die Datenübertragung, ISO/IEC 27001 sorgt für systemweite Sicherheit und NIS-2 schafft den gesetzlichen Rahmen für deren Umsetzung.
- IEC 62443 (Industrial Automation and Control Systems Security)
- IEC 62351 (Security for communication protocols)
- ISO/IEC 27001 (Informationssicherheitsmanagement)
- NIS-2-Richtlinie (ab Oktober 2024 verpflichtend für viele Industrieunternehmen)
Diese Standards liefern praxisnahe Anforderungen und bieten die Grundlage für Zertifizierungen und systematische Risikoanalysen.
Cybersecurity ist kein Nice-to-have
Intelligente Stromversorgungen bieten erhebliche Vorteile in Sachen Überwachung, Energieeffizienz und Fernwartung. Gleichzeitig müssen Unternehmen diese Systeme als IT-Komponenten begreifen – mit allen dazugehörigen Schutzanforderungen. Wer Sicherheit von Anfang an mitdenkt, senkt Risiken und erhöht die Betriebssicherheit.
Eine zukunftsfähige Industrie setzt auf robuste, skalierbare Sicherheitskonzepte, die nicht nur heutigen, sondern auch künftigen Bedrohungen standhalten. Cybersecurity ist dabei kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der in die gesamte Systemarchitektur integriert werden muss. Mit Blick auf die verschärfte Gesetzgebung wird Cybersicherheit zudem zu einer rechtlichen Pflicht – nicht nur zu einer technischen Empfehlung.
Beginnen Sie mit einer systematischen Risikoanalyse Ihrer Stromversorgung – und entwickeln Sie darauf aufbauend ein ganzheitliches Schutzkonzept, das Technik, Prozesse und Menschen gleichermaßen einbezieht.
Weitere Informationen & empfohlene Lektüre
Neben den Aspekten der Cybersecurity lohnt es sich, weitere Bereiche rund um industrielle Stromversorgungen systematisch zu betrachten:
Ein häufiger Fehler liegt bereits in der Auswahl ungeeigneter Netzteile. Unser Beitrag Netzteil-Auswahlfehler vermeiden zeigt typische Schwachstellen auf und hilft Ihnen, Versorgungsprobleme frühzeitig zu vermeiden. Ebenso entscheidend ist eine gut geplante Instandhaltung: In Netzteilwartung: Standzeiten & Planung finden Sie Konzepte, wie Sie die Lebensdauer Ihrer Komponenten gezielt verlängern können.
Auch das Thema Ausfallsicherheit spielt eine zentrale Rolle im Kontext von Schutzkonzepten: Unser Beitrag Sichere Stromversorgung für Industrieanlagen erläutert, worauf es beim Aufbau robuster Stromversorgungsinfrastrukturen wirklich ankommt – von Redundanz über Schutzschaltungen bis zur Einbindung in Notfallpläne.