Netzteile in industriellen Anlagen und Maschinen müssen zuverlässig funktionieren – selbst unter rauesten Bedingungen. Feuchtigkeit, Staub, Temperaturschwankungen und chemische Dämpfe gehören zum Alltag vieler Anwendungen. Ohne zusätzlichen Schutz kann dies zu Korrosion, Kriechströmen oder Ausfällen führen. Conformal Coating – eine dünne, exakt angepasste Schutzbeschichtung für Leiterplatten – bietet hier eine wirkungsvolle Lösung. Der folgende Beitrag erläutert, wie Conformal Coating funktioniert, welche Materialien eingesetzt werden, wie der Prozess abläuft und warum er für industrielle Netzteile von entscheidender Bedeutung ist.
Was ist Conformal Coating?
Conformal Coating (konforme Beschichtung) ist eine hauchdünne Polymer‑Schicht, die elektronische Baugruppen vor Umwelteinflüssen schützt. Sie „folgt“ den Konturen der Leiterplatte und isoliert sensible Bereiche gegen Feuchte, chemische Dämpfe und Staub. Besonders bei Netzteilen in offenen Bauformen (Open‑Frame, Board‑Netzteile) verhindert Conformal Coating leitfähige Feuchtigkeitsfilme und reduziert Kurzschlussrisiken.
Schutzziele bei Netzteilen
- Feuchteschutz: Verhindert Dendritenbildung und Korrosion.
- Staubschutz: Minimiert Ablagerungen und verbessert die Wärmeabfuhr.
- Chemikalienschutz: Widersteht Ölen, Reinigern und aggressiven Dämpfen.
- Mechanische Stabilität: Dämpft Vibrationen und gleicht Temperaturzyklen aus.
- Langzeitzuverlässigkeit: Verlängert Lebensdauer und reduziert Wartungsaufwand.
Ein weiterer Vorteil: Durch transparente Schichten bleibt die Baugruppe inspizierbar, was die Qualitätssicherung erleichtert.
Beschichtungschemien im Überblick
Die Wahl des Materials bestimmt Funktion, Rework‑Fähigkeit und Umweltverträglichkeit.
| Chemie | Stärken | Grenzen | Empfohlene Anwendungen |
|---|---|---|---|
| Acryl (AR) | Günstig, schnell trocknend, leicht reparierbar | Geringe Temperatur‑ und Chemikalienbeständigkeit | Schaltschrank, Innenräume |
| Silikon (SR) | Flexibel, hervorragender Feuchte‑ und Temperaturschutz | Schwer entfernbar | Außenanwendungen, Vibration |
| Polyurethan (UR) | Starker Schutz gegen Chemikalien und Feuchte | Lange Aushärtung | Chemische Industrie, Offshore |
| Epoxid (ER) | Mechanisch robust, hohe Barrierewirkung | Spröde, wärmeempfindlich | Automotive, Leistungsmodule |
| Parylen (XY) | Nahtlos, extrem beständig, CVD‑Prozess | Teuer, Spezialtechnik nötig | Medizintechnik, Luft‑ & Raumfahrt |
Nachhaltigkeit und VOC‑freie Systeme
Moderne Beschichtungen setzen auf lösungsmittelfreie oder wasserbasierte Systeme, um Emissionen zu reduzieren. UV‑härtende Lacke verkürzen Prozesszeiten und sparen Energie. Varianten wie Parylen C oder wasserbasierte Acrylate ermöglichen umweltfreundliche Fertigung ohne Leistungsverlust.
Der Beschichtungsprozess im Überblick
1. Vorbereitung
Gründliche Reinigung und Entfettung sichern Haftung und Dichtigkeit. Rückstände werden per Ultraschall oder Plasma entfernt, anschließend erfolgt Maskierung und Trocknung bei 60–80 °C.
2. Applikation
- Selektives Sprühen oder Dispenserauftrag: präzise und reproduzierbar.
- Tauchbeschichtung: gleichmäßige Benetzung kompletter Baugruppen.
- Parylen‑CVD: vakuumbasierte Hochleistungstechnologie.
- UV‑ oder Dual‑Cure‑Systeme: schnelle, kontrollierte Aushärtung.
3. Aushärtung und Kontrolle
Aushärtung erfolgt durch Luft, Wärme oder UV‑Licht. Gleichmäßige Temperatur verhindert Risse oder Lufteinschlüsse.
Prüfung über UV‑Inspektion, Schichtdickenmessung und Klimatests nach IPC‑CC‑830. Mehr über relevante Normen und Sicherheitsanforderungen finden Sie in Sicherheitsnormen für Netzteile – UL, CE und EN‑Normen im Vergleich.
Einflussfaktoren und Anforderungen
- Umgebung: Feuchte, Staub, Chemikalien, Vibration.
- Temperaturbereich: −40 °C bis +85 °C, je nach Material.
- Isolationsverhalten: Luft‑ und Kriechstrecken einhalten.
- Thermik: Schichten dürfen Kühlpfade nicht blockieren.
- Reparaturfähigkeit: Acryl lässt sich leicht entfernen, Parylen kaum.
Eine Querschnittsgrafik einer beschichteten Platine kann diese Zusammenhänge anschaulich zeigen.
Anwendungsspezifische Beispiele
Schaltschrankbau
DIN‑Schienen‑Netzteile werden meist mit Acryl oder Silikon beschichtet. Dies schützt vor Feuchtezyklen und Staub in Fertigungshallen.
Außen‑ und Offshore‑Anlagen
Silikon‑ und Polyurethanlacke schützen dauerhaft bei Kondensation, Salzluft und chemischer Belastung.
Medizintechnik und Reinraum
Parylen sorgt für gleichmäßige, pinhole‑freie Schichten – ideal für sterile Bedingungen.
Nachhaltige Industrieumgebung
Wasserbasierte Acryl‑Systeme ermöglichen emissionsarme Beschichtungsprozesse – ein wachsender Trend. Für Anwendungen mit speziellen Stromanforderungen bietet unser Überblick Netzleitungen im Vergleich: Unterschiede, Einsatzgebiete, Normen weiterführende Informationen.
FAQ
Ersetzt Conformal Coating eine IP‑Schutzart?
Nein, es schützt die Elektronik, ersetzt aber keine Gehäuseabdichtung.
Wie dick sollte die Schicht sein?
Zwischen 20 µm und 150 µm, je nach Material.
Wie wird die Qualität geprüft?
Per UV‑Inspektion, Klimatest (85 °C/85 % rF) und Isolationsprüfung.
Wie nachhaltig sind Beschichtungen?
VOC‑freie Systeme senken Emissionen und ermöglichen energieeffiziente Aushärtung.
Conformal Coating ist ein wesentlicher Bestandteil moderner Elektronikfertigung. Durch präzise Materialauswahl, Prozesssicherheit und nachhaltige Lösungen lassen sich Netzteile optimal vor Feuchte, Staub und Chemikalien schützen. Weitere Informationen zu Auswahl, Montage und Prüfverfahren finden Sie in unseren Beiträgen zu Netzteil‑Schutzkonzepten und Netzleitungen.
COTRONIC unterstützt Sie bei Planung, Qualifizierung und Umsetzung maßgeschneiderter Beschichtungslösungen – inklusive nachhaltiger, VOC‑armer Systeme für industrielle Netzteile.