EMV & Oberschwingungen in Schaltnetzteilen – Herausforderung & Lösungen

Was versteht man unter EMV in Schaltnetzteilen?

Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beschreibt die Fähigkeit eines elektrischen oder elektronischen Geräts, in seiner elektromagnetischen Umgebung störungsfrei zu funktionieren. Das bedeutet konkret: Ein Gerät darf weder andere Geräte beeinflussen, noch selbst durch elektromagnetische Störgrößen beeinträchtigt werden. Besonders in industriellen Schaltnetzteilen, die mit hohen Frequenzen arbeiten, entstehen erhebliche EMV-Herausforderungen. Die schnellen Schaltvorgänge, steilen Spannungsflanken und die kompakten Bauformen begünstigen Störstrahlungen sowie leitungsgebundene Störungen. Je nach Anwendung – ob in Steuerungsanlagen, Maschinen oder Automatisierungssystemen – können selbst kleinste EMV-Probleme gravierende Auswirkungen haben. So kam es beispielsweise in einer automatisierten Verpackungslinie bei einem mittelständischen Hersteller regelmäßig zu ungeplanten Stillständen, weil das Steuerungsmodul durch Gleichtaktstörungen des benachbarten Netzteils sporadisch neu startete. Erst der Austausch gegen ein EMV-optimiertes Gerät mit zusätzlichem Netzfilter und eine verbesserte Erdung der Schienen beseitigten das Problem dauerhaft.

Unterschiedliche Störarten verstehen

Eine praxisnahe Unterscheidung ist die zwischen Gleichtakt- und Gegentaktstörungen:

  • Gleichtaktstörungen treten auf, wenn sich Störströme auf beiden Leitern in gleicher Richtung bewegen und über das Erdpotenzial zurückfließen.
  • Gegentaktstörungen verlaufen zwischen Phase und Neutralleiter in entgegengesetzter Richtung und entstehen z. B. durch schnelle Lastwechsel.

Beide Arten benötigen unterschiedliche Filter- und Schaltungsstrategien. Beispielsweise kommen bei Gleichtaktstörungen oft Gleichtaktdrosseln in Kombination mit Y-Kondensatoren zum Einsatz, während Gegentaktstörungen typischerweise durch differenzielle LC-Filter unterdrückt werden. Dieses Verständnis ist entscheidend für eine effektive Entstörung.

Ursachen von Oberschwingungen und Netzrückwirkungen

Oberschwingungen sind Spannungs- oder Stromanteile, die sich aus Vielfachen der Grundfrequenz zusammensetzen – in Europa meist 50 Hz. Sie entstehen durch nichtlineare Verbraucher wie Schaltnetzteile, die den Strom nicht gleichmäßig über den gesamten Sinusverlauf aufnehmen, sondern in schmalen Pulsen. Dadurch entstehen Verzerrungen, die sich in Form sogenannter Oberschwingungen ins Stromnetz rückspeisen. Die Folgen:

  • Transformatoren, Leitungen und Schaltgeräte können thermisch überlastet werden.
  • Schutzorgane wie Sicherungen oder Fehlerstromschutzschalter lösen fälschlicherweise aus.
  • Elektronische Messsysteme und Sensoren zeigen ungenaue oder fehlerhafte Werte.
  • Andere Verbraucher, insbesondere empfindliche Steuerungen oder Kommunikationseinheiten, reagieren mit Fehlfunktionen.

In der Summe beeinträchtigen Oberschwingungen also nicht nur die Stromqualität, sondern auch die Lebensdauer, Sicherheit und Funktionsstabilität ganzer Anlagen. Besonders kritisch sind Szenarien mit vielen Netzteilen im Parallelbetrieb – z. B. in Schaltschränken, Rechenzentren oder automatisierten Fertigungslinien.

Relevante Normen für EMV und Oberwellen

Um sicherzustellen, dass Geräte auch in störanfälligen Umgebungen zuverlässig arbeiten und andere Systeme nicht negativ beeinflussen, gelten verbindliche EMV-Normen. Zu den wichtigsten zählen:

  • EN 61000-3-2: Legt die maximal zulässigen Oberschwingungsströme für Geräte mit Eingangsstrom bis 16 A fest. Unterschieden wird hier nach Geräteklassen (A–D).
  • EN 61000-6-2: EMV-Störfestigkeit für industrielle Anwendungen – beschreibt die Anforderungen, die ein Gerät gegen äußere Störeinflüsse aushalten muss.
  • EN 61000-6-4: Anforderungen an die Störaussendung industrieller Einrichtungen.
  • EN 55011 (CISPR 11): Regelt Funkstörungen industrieller, wissenschaftlicher und medizinischer Geräte.

Ein modernes Industrie-Netzteil muss daher nicht nur elektrischen, sondern auch normativen Anforderungen genügen. In der Praxis kommen dafür häufig sogenannte Pre-Compliance-Tests zum Einsatz – darunter leitungsgebundene Störaussendungsmessungen nach CISPR 11, Burst- und Surge-Tests gemäß EN 61000-4-x sowie EMV-Simulationen mit Netzanalysatoren. Diese Prüfverfahren helfen, Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren und das Design noch vor der finalen Zertifizierung zu optimieren. Idealerweise sind Konformitätserklärungen, EMV-Prüfberichte und CE-Kennzeichnung direkt vom Hersteller verfügbar.

Praktische Probleme im Schaltschrank- und Anlagenbau

Trotz theoretischer Konformität treten EMV-Störungen in der Praxis immer wieder auf. Besonders häufige Ursachen:

  • Unzureichende Erdung: Hochohmige oder fehlende Erdverbindungen begünstigen Störströme.
  • Unsaubere Leitungsführung: Parallele Leitungen, fehlende Abschirmung und zu große Schleifenflächen führen zu induzierten Störungen.
  • Ungeeignete Platzierung: Netzteile nahe an Signalverarbeitungseinheiten oder Kommunikationsschnittstellen stören empfindliche Baugruppen.
  • Verzicht auf zusätzliche Filterung: Gerade bei günstigen oder kompakten Geräten fehlen externe Netzfilter, was zu unerwünschten Rückwirkungen führt.

Praxis: 5 häufige EMV-Fehler im Schaltschrank

Dieser Abschnitt richtet sich gezielt an Praktiker im Schaltschrankbau, bei der Installation und Inbetriebnahme. Die folgenden Punkte dienen als kompakte Checkliste, um typische EMV-Fallen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden:

  1. Netzfilter zu weit entfernt vom Netzanschluss montiert
  2. PE-Verbindungen nicht niederimpedant ausgeführt
  3. EMV-Schirmung der Leitungen nur einseitig auf Masse gelegt
  4. Signal- und Leistungskabel parallel verlegt
  5. Schaltnetzteile auf gelochten Tragschienen ohne flächige Kontaktierung montiert

Lösungen: EMV-Filter, Schaltungstopologie, Layout, Netzfilter

Integrierte EMV-Filter

Viele hochwertige Schaltnetzteile beinhalten bereits EMV-Maßnahmen wie Eingangsfilter (LC- oder Pi-Topologie), Ferritkerne oder kapazitive Kopplungselemente. Achten Sie auf die Angabe „EMV-Klasse B“ – diese ist strenger als Klasse A und meist für Wohn- und Büroräume vorgeschrieben, in der Industrie jedoch ein Qualitätsmerkmal.

Aktive Leistungsfaktorkorrektur (PFC)

Eine aktive PFC-Schaltung glättet die Stromaufnahme am Eingang und reduziert nicht nur den Klirrfaktor, sondern verbessert auch die Energieeffizienz. Damit sinken die Oberschwingungsanteile deutlich. Besonders bei Geräten >75 W ist eine aktive PFC aus EMV-Sicht empfehlenswert.

EMV-gerechtes Leiterplattenlayout

Ein solides Platinenlayout ist entscheidend für die interne Entstörung. Dazu zählen kurze Rückstrompfade, sternförmige Masseführung, entkoppelte Signalpfade und die gezielte Platzierung von Filtern in der Nähe der Störquellen. Auch die Verwendung von mehrlagigen PCBs kann zur Reduzierung elektromagnetischer Felder beitragen.

Externe Netzfilter und Zusatzmaßnahmen

Ergänzend zum integrierten Filterdesign können externe Maßnahmen nötig sein – etwa bei:

  • Sehr langen Leitungen zwischen Netzteil und Verbraucher
  • Betrieb in EMV-kritischer Umgebung (z. B. in der Nähe von Hochfrequenzsystemen)
  • Einsatz mehrerer Netzteile mit kumulierenden Effekten

Geeignete Produkte sind z. B. Netzfiltermodule, geschirmte Kabel, Trenntrafos oder Ferrit-Klemmen.

Was Sie bei der Auswahl eines EMV-optimierten Netzteils beachten sollten

Die Auswahl eines geeigneten Netzteils beeinflusst maßgeblich die EMV-Bilanz Ihrer Anlage. Prüfen Sie daher im Vorfeld:

  • Liegen EMV-Prüfberichte oder CE-Dokumentationen vor?
  • Welche Normen erfüllt das Netzteil (insbesondere Klasse B)?
  • Ist eine aktive PFC integriert und dokumentiert?
  • Wie verhält sich das Gerät unter Last bzw. bei Störungen?
  • Gibt es Empfehlungen oder Anwendungsbeispiele vom Hersteller?

Zudem lohnt ein Blick auf den Support: Seriöse Anbieter wie COTRONIC beraten Sie nicht nur beim Kauf, sondern auch bei der Implementierung im Schaltschrank – inklusive Tipps zu Filterung, Erdung und Verdrahtung.

Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, empfehlen wir unsere EMV-optimierten DIN-Schienen Netzteile, die sich in unzähligen Industrieanwendungen bewährt haben.

EMV-gerechtes Design als Qualitätsfaktor

Elektromagnetische Verträglichkeit ist längst kein Spezialthema mehr, sondern zentraler Bestandteil jeder modernen Industrieanlage. Oberschwingungen, Rückwirkungen und Störfelder können den reibungslosen Betrieb empfindlich stören – und das nicht erst im Grenzbereich.

Mit der richtigen Kombination aus EMV-konformem Netzteil, intelligenter Schaltungsarchitektur, sauberer Verdrahtung und ggf. ergänzender Filtertechnik lassen sich nahezu alle gängigen EMV-Herausforderungen zuverlässig beherrschen. In einem Kundenprojekt konnte durch den Austausch eines ungefilterten Schaltnetzteils und die korrekte Positionierung eines LC-Filters die Zahl der unerklärlichen Anlagenausfälle von durchschnittlich 3 pro Monat auf null gesenkt werden – bei gleichzeitiger Reduktion der Instandhaltungskosten um 40 %. Solche Erfolge zeigen, wie stark sich ein durchdachtes EMV-Design auf die Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit industrieller Systeme auswirken kann. Solche Erfolge zeigen, wie stark sich ein durchdachtes EMV-Design auf die Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit industrieller Systeme auswirken kann. und ggf. ergänzender Filtertechnik lassen sich nahezu alle gängigen EMV-Herausforderungen zuverlässig beherrschen.

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