Temperaturbeständigkeit von Netz- und Anschlussleitungen – Auswahlkriterien

In industriellen Anwendungen sind Netz- und Anschlussleitungen oft extremen Temperaturbedingungen ausgesetzt – von sengender Hitze bis zu eisiger Kälte. Diese Belastungen beeinflussen ihre Lebensdauer, Sicherheit und Leistungsfähigkeit erheblich. Wird die zulässige Temperatur überschritten, beschleunigt sich die Alterung der Isolation, es drohen Schäden oder Ausfälle. Bei extremer Kälte können Materialien verspröden und brechen. Deshalb ist es entscheidend, die Leitung nach den tatsächlichen Einsatzbedingungen auszuwählen. Mehr zu generellen Auswahlkriterien finden Sie im Artikel Netzleitungen im Vergleich.

Temperaturbereiche & Belastungsarten

Leitungen sind für bestimmte Temperaturbereiche ausgelegt. Entscheidend sind die maximale Dauerbetriebstemperatur – zum Beispiel 70 °C bei PVC oder 90 °C bei XLPE – und die erwartete Umgebungstemperatur, die durch den Einsatzort, Sonneneinstrahlung und die Nähe zu Wärmequellen geprägt wird. Hinzu kommen kurzzeitige Temperaturspitzen, wie sie beim Anfahren von Maschinen entstehen, sowie mechanische Belastungen durch Bewegung, enge Biegeradien oder Zugspannungen. In einer Produktionshalle etwa versagten PVC-Leitungen über einem Heizofen vorzeitig, obwohl sie theoretisch normgerecht ausgelegt waren. Die wiederholten Spitzentemperaturen beschleunigten jedoch die Materialalterung.

Normative Anforderungen & Klassifizierung

Die Auswahl geeigneter Leitungen wird maßgeblich durch Normen wie VDE 0281/0282, VDE 0293, VDE 0100 und die DGUV Information 203-002 bestimmt. Diese legen Temperaturgrenzen, Reduktionsfaktoren und Bemessungshinweise fest. Der VDE-Verlag stellt Tabellen bereit, die die zulässige Strombelastbarkeit in Abhängigkeit von Temperatur und Verlegeart veranschaulichen. So ist eine PVC-Leitung bei 50 °C Umgebungsluft nur noch mit etwa 85 % ihrer Nennstrombelastung nutzbar. Silikonleitungen widerstehen im Dauerbetrieb bis zu 180 °C, PTFE-Leitungen sogar bis zu 250 °C.

Werkstoffe & Temperaturbereiche

Das verwendete Isolationsmaterial ist ausschlaggebend für die Temperaturbeständigkeit. PVC ist preisgünstig, aber nur bis etwa 70 °C belastbar und bei Kälte wenig flexibel. XLPE ermöglicht bis zu 90 °C und überzeugt mit guten elektrischen Eigenschaften. Silikon bleibt selbst bei −60 °C flexibel und hält Temperaturen bis 180 °C stand. PTFE bietet eine enorme Bandbreite von −190 °C bis +250 °C sowie hohe Chemikalienbeständigkeit. Für extreme Hitzebereiche über 500 °C werden Glasseideleitungen mit Spezialbeschichtungen eingesetzt. Ein Praxisbeispiel aus der Kältetechnik: PVC-Leitungen versprödeten in einem Kühlhaus bei −30 °C innerhalb eines Jahres, während Silikonleitungen über Jahre zuverlässig funktionierten.

Bewegliche vs. feste Verlegung

Bei fester Verlegung sind oft höhere Temperaturen zulässig, da die mechanische Beanspruchung geringer ist. Bewegliche Verlegung hingegen belastet das Material durch wiederholtes Biegen und Vibration. Dafür werden speziell konstruierte, hochflexible Leitungen benötigt. Werden fälschlicherweise starre Leitungen in bewegten Anwendungen eingesetzt, kommt es schnell zu Mantelrissen und gebrochenen Leitern.

Einfluss der Umgebungsbedingungen

Neben der Temperatur spielen weitere Faktoren eine Rolle: direkte Sonneneinstrahlung, Wärmestau in Kabelkanälen oder die Häufung vieler Leitungen auf engem Raum. Solche Bedingungen erhöhen die Betriebstemperatur und senken die zulässige Strombelastbarkeit deutlich – bei dichter Kabelbündelung können Verluste von bis zu 40 % auftreten. In der Praxis führten solche Konstellationen schon zu Überhitzungsschäden, obwohl die Leitungen korrekt dimensioniert waren.

Typische Einsatzbereiche

Temperaturbeständige Leitungen kommen in vielen Branchen zum Einsatz. In der Stahl-, Glas- und Keramikindustrie müssen sie extremer Hitze standhalten. In der Kälte- und Klimatechnik müssen sie auch bei −40 °C flexibel bleiben. Auf Baustellen und in der Montage werden robuste, abriebfeste Gummischlauchleitungen eingesetzt. In der Automatisierung und Robotik schließlich sind hochflexible Steuerleitungen mit erweitertem Temperaturbereich gefragt.

Praxisempfehlungen zur Auswahl

Vor der Auswahl gilt es, die realen Einsatztemperaturen zu ermitteln – auch kurzzeitige Spitzen. Anschließend sollten Normen und Herstellerangaben sorgfältig geprüft und das geeignete Material gewählt werden. Dabei zählen nicht nur Temperaturbeständigkeit und mechanische Belastbarkeit, sondern auch die geplante Verlegeart sowie die Wartungs- und Montagefreundlichkeit.

FAQ

Welche Leitung für hohe Temperaturen? Silikonleitungen sind bis 180 °C einsetzbar, PTFE-Leitungen bis 250 °C, und Glasseideleitungen eignen sich sogar für Temperaturen darüber hinaus. Die Wahl hängt davon ab, wie dauerhaft und intensiv die Temperaturbelastung ist und ob zusätzlich chemische Beständigkeit oder besondere Flexibilität gefordert sind.

Welche Leitung für tiefe Temperaturen? Für extreme Kälte bis −60 °C bieten sich Silikon- oder PUR-Leitungen an, da sie auch bei Minusgraden flexibel bleiben. Bei dauerhaften Kälteanwendungen, wie in Kühlhäusern oder im Außenbereich polarer Regionen, sollte zudem auf eine hohe Beständigkeit gegen Versprödung geachtet werden.

Was passiert, wenn die Temperaturgrenze überschritten wird? Wird eine Leitung dauerhaft oder wiederholt über ihre spezifizierte Temperaturgrenze hinaus belastet, können sich die Isolationsmaterialien zersetzen. Dies führt zu Mikrorissen, verringerter Spannungsfestigkeit und erhöhtem Risiko für Kurzschlüsse oder Brände. Schon kurzfristige Überhitzungen können die Alterung beschleunigen und die Lebensdauer deutlich verkürzen.

Wie lässt sich die richtige Leitung auswählen? Neben den Temperaturgrenzen sollten immer die Verlegeart, die mechanische Beanspruchung, der Einsatzort und mögliche chemische Einflüsse berücksichtigt werden. Datenblätter der Hersteller, VDE-Normen und im Idealfall Praxiserfahrungen aus vergleichbaren Anwendungen sind die beste Grundlage für eine sichere Auswahl.

Gibt es besondere Hinweise für bewegte Anwendungen? Ja. In bewegten Anwendungen müssen Leitungen nicht nur temperatur-, sondern auch biegefest sein. Hochflexible Spezialkonstruktionen mit feindrähtigen Leitern und strapazierfähigen Mantelmaterialien verhindern frühzeitige Materialermüdung und gewährleisten eine lange Lebensdauer – auch bei hohen oder niedrigen Temperaturen.

Weiterführende Informationen

Weitere fachliche Details und praxisorientierte Hinweise finden Sie auch in den Beiträgen Fehlerquellen bei der Installation von Netzleitungen – dieser Artikel zeigt häufige Montagefehler und wie Sie diese vermeiden. Netzleitungen im Schaltschrankbau beschreibt die besonderen Anforderungen und Best Practices bei der Verlegung innerhalb von Schaltschränken. Prüfzeichen und Zertifikate bei Netzleitungen liefert einen Überblick zu relevanten Zulassungen, Normen und deren Bedeutung für Sicherheit und Qualität.