Brandschutzanforderungen für Netzteile und Leitungen – EN 13501 erklärt

Was ist EN 13501?

Die europäische Norm EN 13501 bildet die Grundlage für die einheitliche Bewertung des Brandverhaltens von Bauprodukten. Sie kommt immer dann zur Anwendung, wenn Produkte bauwerksrelevant eingesetzt werden – also fest in Gebäuden, Kabelwegen, Installationskanälen oder technischen Anlagen verbaut werden. Für lose, austauschbare Maschinenkabel gilt EN 13501 nicht verpflichtend, kann jedoch als Qualitätsmaßstab herangezogen werden.

EN 13501 umfasst mehrere Teile:

  • EN 13501-1: Grundklassifizierung aller Bauprodukte (A1–F)
  • EN 13501-6: Spezifische Klassifizierung für elektrische Kabel und Leitungen

Damit bietet die Norm eine europaweit einheitliche Basis, um Materialien hinsichtlich Brandverhalten, Rauchentwicklung und brennendem Abtropfen zu bewerten. Unternehmen können so besser einschätzen, welche Produkte für industrielle Installationen geeignet sind und welche Brandschutzanforderungen erfüllt werden müssen.

Zusätzlich steht EN 13501 im Zusammenhang mit der Bauproduktenverordnung (EU) 305/2011 (CPR). Diese regelt, dass Kabel, die dauerhaft in Bauwerken verbaut werden, eine CE-Kennzeichnung mit entsprechender Brandklasse tragen müssen.

Diese drei Parameter ergeben in Kombination die endgültige Brandklassifizierung, die für die Auswahl geeigneter Leitungen und Materialien essenziell ist.

Brandklassen nach EN 13501 – Übersicht & Bedeutung

Die Klassifizierung besteht aus drei Parametern:

  • Hauptklasse (A1–F): Wie stark ist das Material entzündbar?
  • Rauchentwicklung (s1–s3): Wie stark entwickelt das Material Rauch?
  • Abtropfen (d0–d2): Tropfen brennende Materialien ab und verstärken damit den Brand?

Bedeutung der s-Kategorien:

  • s1: Sehr geringe Rauchentwicklung, ideal für sensible Bereiche wie Rechenzentren
  • s2: Moderate Rauchentwicklung
  • s3: Starke Rauchentwicklung

Bedeutung der d-Kategorien:

  • d0: Kein brennendes Abtropfen – zwingend für Fluchtwege
  • d1: Geringe Tropfenbildung
  • d2: Starke Tropfenbildung (unerwünscht in öffentlichen Bereichen)

Im industriellen Umfeld sind B2ca, Cca und Dca am häufigsten. Diese Klassen ergeben sich durch die Kombination aus Brandverhalten, Rauchentwicklung und Abtropfverhalten.

EN 13501-6 für elektrische Leitungen – Welche Anforderungen gelten?

EN 13501-6 wurde speziell zur Bewertung des Brandverhaltens elektrischer Kabel entwickelt. Die Einstufung basiert auf mehreren Prüfverfahren, die das Verhalten eines Kabels während eines Brandereignisses simulieren.

Prüfverfahren im Überblick

EN 50399 – Brandfortschritt & Wärmefreisetzung
Hier wird untersucht, wie schnell sich ein Brand entlang des Kabels ausbreitet und wie viel Wärme freigesetzt wird. Dies ist entscheidend, weil hohe Wärmefreisetzung Brände beschleunigt.

EN 60332-1-2 – Flammenausbreitung
Misst die Fähigkeit des Kabels, eine kleine Flamme zu widerstehen. Je besser das Kabel abschneidet, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Zündquellen zu größeren Bränden führen.

EN 61034 – Rauchentwicklung
Bewertet, wie viel Rauch im Brandfall entsteht. Hohe Rauchentwicklung ist eine der größten Gefahren, da sie Fluchtwege blockiert.

Die daraus resultierenden Klassen lauten:

  • B2ca – hohe Anforderungen, sensibelste Anwendungsbereiche
  • Cca – gängige Klasse für Industriegebäude
  • Dca – ausreichend für interne Maschinenverkabelung
  • Eca – Basisanforderung für einfache Installationen

Diese Klassifizierung ist relevant, sobald Kabel in Gebäuden oder dauerhaft in Anlagen installiert werden.

Brandschutzanforderungen für Netzteile

Netzteile stellen als aktive elektrische Komponenten eine potenzielle Wärmequelle dar. Im Fehlerfall können sie das Startpunkt eines Brandes sein. Daher gelten erhöhte Anforderungen an Aufbau, Schutzschaltungen und Materialqualität.

Gehäuse und Materialien

Gehäuse aus schwer entflammbaren Kunststoffen oder Metallgehäusen reduzieren die Brandlast erheblich. Hochwertige Netzteile erfüllen mindestens UL94-V0, was ein kontrolliertes Selbstverlöschen sicherstellt.

Temperatur- und Überlastschutz

Moderne Industrienetzteile sollten zwingend mit folgenden Schutzmechanismen ausgestattet sein:

  • Kurzschlussschutz
  • Überstrombegrenzung
  • Überlastabschaltung
  • Übertemperaturabschaltung

Diese Funktionen sorgen dafür, dass thermische Ereignisse kontrolliert abgefangen werden, bevor sie zu einem Brand führen.

Einbauumgebung

Eine korrekte Wärmeableitung ist essenziell. Überhitzte Netzteile steigern das Brandrisiko erheblich, besonders in dichten Schaltschränken oder Maschinengehäusen. Hinzu kommt die Kombination mit Leitungen: Leitungen niedriger Brandklassen können die Brandentwicklung beschleunigen oder mehr Rauch freisetzen.

Typische Anforderungen in Industrieumgebungen

Industrieanlagen weisen meist erhöhte Brandlasten auf, insbesondere durch Kabelbündel, Maschinenwärme, Staub oder Prozessmaterialien. Deshalb sind die Anforderungen strenger als in klassischen Bürogebäuden.

Typische Einstufungen:

  • Maschinenbau: robuste Leitungen, meist Dca oder Cca
  • Anlagenbau: häufig Cca wegen umfangreicher Verkabelung
  • Chemie- und Prozessindustrie: halogenfreie Leitungen mit sehr geringer Rauchentwicklung (s1)
  • Automatisierungsanlagen: hohe Temperaturbeständigkeit und geringer Flammenfortschritt
  • Rechenzentren: Fokus auf s1 wegen toxikologisch relevanter Rauchgase

Je nach Produktionsumgebung können zusätzliche Vorgaben gelten – etwa aus internen Werksnormen, Brandschutzkonzepten oder baulichen Prüfverfahren.

Kabel- und Netzteil-Auswahl nach Brandklasse

Praxisorientierte Empfehlungen je Einsatzbereich

EinsatzbereichEmpfohlene KabelklasseBeispielanwendungen
FluchtwegeB2ca-s1,d0Kabeltrassen in Hallen, Fluchtwegbeleuchtung, Sicherheitstechnik
ProduktionshallenCca-s1,d1Hauptverkabelung, Maschinenzuführungen, Kabelpritschen
MaschinenverkabelungDca-s2,d2interne Maschinenleitungen, bewegte Leitungen
Büro- und VerwaltungsgebäudeCca–B2caGebäudeverkabelung, EDV, Gebäudetechnik
RechenzentrenB2ca-s1,d0Serverräume, Haupttrassen, Brandabschnitte

Für Netzteile gilt:

  • UL94-V0 oder Metallgehäuse als Mindeststandard
  • Temperatur- und Überlastschutz
  • Zertifikate wie EN/IEC/UL
  • klare Dokumentation und Prüfprotokolle

Damit ergibt sich eine vollständige Entscheidungsgrundlage für Konstruktion und Einkauf.

Praxis: Wie reduziert man Brandlast in Industrieanlagen?

Unternehmen können die Brandlast durch eine Kombination aus Materialauswahl, Installationstechnik und Risikomanagement stark reduzieren.

Wesentliche Maßnahmen:

  • Einsatz halogenfreier Leitungen (HFFR) mit besserem Rauchverhalten
  • Vermeiden dichter Kabelbündel durch strukturierte Leitungsführung
  • Getrennte Verlegung von Leistungs- und Steuerleitungen
  • Auswahl temperaturüberwachter Netzteile
  • Nutzung von Kabelkanälen und Brandschutzkanälen gemäß BauPVO
  • Regelmäßige Prüfungen gemäß Brandschutzkonzept
  • Dokumentation aller verbauten Brandklassen

Diese Kombination reduziert sowohl die Brandentstehung als auch die Gefährdung im Ernstfall.

Häufige Fehler bei Brandschutzanforderungen

  • Verwendung von Leitungen mit zu geringer Klassifizierung
  • Netzteile ohne Temperatur- oder Überlastschutz
  • fehlende Trennung von Kabelbündeln mit hoher Brandlast
  • unzureichende oder fehlende Prüfprotokolle
  • Nutzung von Altbeständen ohne aktuelle Zertifikate
  • fehlende Dokumentation nach Umbauten oder Maschinenmodernisierungen

Brandschutzanforderungen an Leitungen und Netzteile spielen in modernen Industrieanlagen eine entscheidende Rolle. Die Normen EN 13501-1 und EN 13501-6 bieten transparente Kriterien, um Materialien und Kabel hinsichtlich ihres Brandverhaltens zuverlässig zu bewerten. Werden die Vorgaben konsequent umgesetzt, lassen sich Brandlasten minimieren, Rauchentwicklung reduzieren und Sicherheitsziele einhalten. Die Kombination aus korrekt klassifizierten Leitungen, hochwertigen Schutzmechanismen und fachgerechter Installation bildet die Grundlage für ein hohes Sicherheitsniveau in Industrie, Gewerbe und Maschinenbau.

Was EN 13501 nicht regelt

EN 13501 bewertet ausschließlich das Brandverhalten – nicht jedoch:

  • elektrische Sicherheit (Kurzschluss, Isolation, Kriechströme)
  • Temperaturbeständigkeit von Leitungen oder Netzteilen
  • toxikologische Grenzwerte der Rauchgase
  • EMV-Eigenschaften
  • Leistungsfähigkeit von Netzteilen

Daher ist EN 13501 nicht als alleinige technische Bewertungsgrundlage geeignet, sondern ergänzt andere Normen wie EN/IEC 60335, 61558, 61034 oder UL94.

Beispiele für typische Materialien je Brandklasse

BrandklasseTypische Materialien / Produkte
A1/A2Steinwolle, Glaswolle, Kalziumsilikat, Gipsprodukte
B/Chochwertige halogenfreie Installationskabel, schwer entflammbare Baustoffe
DPVC-Standardkabel, Holzprodukte, viele Kunststoffe
E/Fbrennbare Kunststoffe, nicht getestete Produkte

EN 13501 vs. UL94 vs. IEC/VDE (Kurzvergleich)

NormBewertetTypische Anwendung
EN 13501Brandverhalten & RauchentwicklungBauprodukte, fest verbaute Kabel
EN 13501-6Brandverhalten elektrischer KabelGebäudeverkabelung, Industrieinstallation
UL94Entflammbarkeit von KunststoffenNetzteile, Kunststoffgehäuse
IEC/VDEElektrische SicherheitLeitungen, Netzteile, Geräte

EN 13501 liefert ein klares System zur Klassifizierung des Brandverhaltens von Leitungen und Materialien. Für Industrieanlagen sind besonders B2ca, Cca und Dca relevant. Netzteile müssen zusätzlich nach UL94 und elektrischen Sicherheitsnormen bewertet werden. Die Kombination geprüfter Leitungen, hochwertiger Netzteile und korrekter Installation reduziert die Brandlast und erhöht die Betriebssicherheit erheblich.

FAQ – Häufige Fragen zu EN 13501 und Brandschutz

Wann gilt EN 13501 verpflichtend?
Immer dann, wenn Kabel fest in Gebäuden, industriellen Anlagen oder Installationswegen verbaut werden. Für lose Maschinenleitungen gilt sie nicht verpflichtend.

Gilt EN 13501 auch für Netzteile?
Nein, Netzteile selbst werden nicht nach EN 13501 bewertet. Für sie gelten UL94 (Gehäusematerial) und elektrische Sicherheitsnormen (EN/IEC). Allerdings beeinflussen Netzteile die Brandlast und müssen daher passend ausgewählt werden.

Was bedeuten die Klassen s1, s2 und s3 konkret?
Sie beschreiben die Rauchentwicklung. s1 = sehr wenig Rauch, s3 = starke Rauchentwicklung.

Was bedeutet d0, d1 und d2?
Diese Klassen bewerten brennendes Abtropfen. d0 = kein Abtropfen, d2 = starke Tropfenbildung.

Welche Klasse ist für Industriehallen üblich?
Typisch ist Cca-s1,d1.

Welche Klasse reicht für Maschinenverkabelung aus?
In der Regel Dca-s2,d2, da diese Leitungen nicht öffentlich zugänglich sind.

Sind halogenfreie Leitungen immer sinnvoll?
Ja – besonders in Industriegebäuden, Hallen und Büros, da sie im Brandfall deutlich weniger toxische Rauchgase freisetzen.

Wie erkenne ich die Brandklasse eines Kabels?
Über die CE-Kennzeichnung, die Bezeichnung B2ca/Cca/Dca und die Angaben zu s- und d-Kategorien.

Ist Eca noch ausreichend?
Für moderne Industrieinstallationen meist nicht. Eca wird nur bei einfachen Basisinstallationen toleriert.

Welche Rolle spielt die BauPVO (CPR)?
Sie macht die EN 13501-6-Klassifizierung für fest verbaute Kabel verpflichtend und regelt die CE-Kennzeichnung.

Was ist der Unterschied zwischen EN 13501 und UL94?
EN 13501 bewertet das Brandverhalten ganzer Kabel. UL94 bewertet nur die Entflammbarkeit von Kunststoffen – z. B. Gehäusen von Netzteilen.

Welche Brandklasse ist für Rechenzentren empfehlenswert?
B2ca-s1,d0 wegen minimaler Rauchentwicklung.

Was passiert, wenn die falsche Brandklasse eingesetzt wird?
Im Ernstfall steigt die Rauch- und Brandlast erheblich. Zudem drohen Abnahmen, Versicherungsprobleme oder technische Nachrüstpflichten.

Welche Dokumentation ist notwendig?
CE-Kennzeichnung, Leistungserklärung (DoP), Herstellerangaben zur Brandklasse sowie projektbezogene Dokumentation der Installation.



Kennzeichnungspflicht nach Art. 50 KI-VO: Mit Unterstützung von KI erstellt