Abschirmung und Bündelung bei Industriekabeln – EMV & Sicherheit

Warum EMV in der Industrie so wichtig ist

In industriellen Produktionsumgebungen sind zuverlässige elektrische Verbindungen von zentraler Bedeutung. Elektromagnetische Störungen (EMI) stellen hier eine erhebliche Gefahr dar, da sie den störungsfreien Betrieb von Maschinen, Steuerungssystemen und sensibler Kommunikationstechnik beeinträchtigen können. Die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beschreibt die Fähigkeit eines elektrischen Geräts oder Systems, ohne Beeinträchtigung durch elektromagnetische Störquellen zu arbeiten und selbst keine störenden elektromagnetischen Felder zu erzeugen.

Zu den häufigsten Störquellen zählen Frequenzumrichter, Leistungskabel, Transformatoren, Schaltgeräte oder Funkkomponenten. Diese erzeugen insbesondere hochfrequente Felder, die sich negativ auf die Funktion angrenzender, empfindlicher Kabel auswirken können – insbesondere auf Sensorleitungen, analoge Signale oder Busverbindungen wie PROFINET oder CAN.

Die Vermeidung solcher Störungen beginnt bereits bei der sorgfältigen Auswahl geeigneter Kabel – ein häufiger Fehler in der Praxis ist etwa die Verwendung ungeschirmter Steuerleitungen in der Nähe von frequenzgeregelten Antrieben. Auch die falsche Auswahl von Schirmarten (z. B. Geflecht statt Folie bei sensiblen Datensignalen) kann zu ungewollten Störeinflüssen führen. Daher sollten bereits bei der Projektierung die Umgebungsbedingungen, Frequenzspektren und Leitungslängen genau analysiert werden. Abschirmung und strukturierte Leitungsführung sind dabei zentrale Bausteine. Doch EMV ist mehr als reine Kabelauswahl: Erst das Zusammenspiel aus Schirmung, Erdung, Verlegeführung und Komponenten ergibt ein stabiles EMV-Konzept.

Abschirmung von Kabeln – Funktionsweise & Vorteile

Vergleich von Schirmmaterialien

SchirmmaterialVorteileNachteileTypische Anwendung
KupfergeflechtSehr gute Dämpfung, mechanisch stabilHöheres Gewicht, teurerSteuer-, Motor-, Leistungskabel
Alu/Polyester-FolieLeicht, günstig, gute HochfrequenzdämpfungWenig mechanische StabilitätBusleitungen, Datenleitungen
Kombiniert (Folie+Geflecht)Breites Schutzspektrum, robustAufwändiger in der VerarbeitungEMV-kritische Anlagen, Automatisierung
Textilbasierte Schirme (z. B. Shieldex)Flexibel, leicht, großflächig einsetzbarHöherer Materialpreis, nicht flammwidrigEMV-Räume, Sondergehäuse, Sensorik

Die Kabelabschirmung dient dem Schutz vor elektromagnetischen Störungen. Sie wirkt dabei sowohl als Barriere gegen Störungen von außen als auch als Schutzmaßnahme gegen die Abstrahlung von Störungen aus dem Kabel heraus. Ziel ist eine maximale Signalintegrität und Betriebssicherheit, insbesondere in Umgebungen mit hohen elektrischen Lasten oder schnellen Schaltvorgängen.

Je nach Anwendungsszenario kommen unterschiedliche Schirmarten zum Einsatz:

Folienabschirmung (AL/PET)

  • Bestehend aus einer Aluminium-Polyester-Folie
  • Besonders effektiv gegen hochfrequente, gestrahlte Störungen
  • Einsatz in datenbasierten Anwendungen wie Ethernet-, Feldbus- und Sensortechnik

Geflechtabschirmung (Kupfergeflecht)

  • Hohe mechanische Stabilität und sehr gute Abschirmung gegen niederfrequente Störfelder
  • Geeignet für Leistungskabel, Steuerleitungen und bewegte Anwendungen

Kombinierte Schirmung (Folie + Geflecht)

  • Bietet hohen Schutz über ein breites Frequenzspektrum hinweg
  • Empfohlen bei kritischen Anwendungen mit empfindlicher Signaltechnik und starken Störquellen

Ein entscheidendes Kriterium ist die niederimpedante 360°-Schirmanbindung: Nur wenn die Abschirmung umlaufend, flächig und mit geringem Übergangswiderstand angeschlossen wird, kann sie ihre Schutzfunktion auch bei hohen Frequenzen wirksam entfalten.

Übertragungsimpedanz als Qualitätsmerkmal

Ein wichtiges Kriterium zur Bewertung der Schirmwirkung ist die sogenannte Übertragungsimpedanz. Sie beschreibt, wie gut ein Kabelschirm hochfrequente Störströme gegen Masse ableiten kann. Je niedriger die Übertragungsimpedanz, desto besser der Schutz. Hersteller hochwertiger Industriekabel geben diesen Wert in mΩ/m an – ein entscheidender Vergleichswert, gerade bei langen Leitungen und EMV-kritischen Anwendungen.

Bedeutung der Aderpaar-Twistlänge

Gerade bei Daten- und Bussystemen ist nicht nur die Abschirmung entscheidend – bei klassischen Energie- oder Versorgungsleitungen hingegen spielen Twistlängen kaum eine Rolle, da hier keine differenzielle Signalübertragung erfolgt. Auch bei einfachen 230V-Versorgungsleitungen oder Pumpenzuleitungen steht die elektromagnetische Verträglichkeit eher im Zusammenhang mit Schirmung, Erdung und räumlicher Trennung als mit der internen Verdrillung. Twistlängen (Verdrillung der Adern) sorgen dafür, dass Störungen sich gegenseitig aufheben. Je enger und gleichmäßiger die Aderpaare verdrillt sind, desto stabiler ist das Übertragungsverhalten – insbesondere bei symmetrischen Leitungen wie CAN, RS485 oder Industrial Ethernet.

Kabelbündelung in der Praxis – was es zu beachten gilt

Neben der Schirmung spielt auch die Bündelung und Verlegung von Kabeln eine entscheidende Rolle für die elektromagnetische Verträglichkeit. In der Praxis werden Kabel häufig gemeinsam in Kabelkanälen, Energieketten, Schaltschränken oder industriellen Trassen verlegt. Dabei entstehen – je nach Art und Abstand der Leitungen – sowohl potenzielle Störquellen als auch Anfälligkeiten für Beeinflussungen.

Risiken unsachgemäßer Bündelung:

  • Kopplungseffekte durch Induktion und kapazitive Kopplung, insbesondere zwischen Energie- und Steuerleitungen
  • Störübertragungen bei paralleler Verlegung von frequenzgeregelten Motorleitungen und sensiblen Datenkabeln
  • Erwärmung und Temperaturprobleme bei zu dichter Bündelung stromführender Leitungen
  • Verschlechterung der EMV-Wirkung durch unstrukturierte Trassenführung

Praxis-Tipps für sichere Bündelung:

  • Funktionstrennung konsequent umsetzen: Leistungs-, Steuer-, Signal- und Kommunikationsleitungen räumlich voneinander trennen
  • Geerdete Metallkanäle für stark störende Leitungen (z. B. Motorversorgung)
  • Kunststoffkanäle oder Abstandhalter für empfindliche Signalstrecken
  • Einsatz von Schutzschläuchen oder geschirmten Bündelleitungen bei gemeinsamen Wegen
  • Kreuzende statt paralleler Verlegung, wo möglich

Praxisbeispiel:

Ein Automatisierungsunternehmen stellte fest, dass die PROFINET-Kommunikation in einer Maschine regelmäßig ausfiel. Nach einer Analyse zeigte sich: Die Sensorleitung war im selben Kanal wie die Motorleitung verlegt – ohne Abschirmung und über eine Strecke von rund 12 m. Die Umgebungstemperatur lag zudem konstant bei über 50 °C, was die Empfindlichkeit der Leitung zusätzlich erhöhte. Nach der Trennung der Leitungen und dem Einsatz eines geschirmten PROFINET-Kabels mit richtiger Erdung waren die Störungen vollständig beseitigt.

In komplexen Anlagen empfiehlt sich eine EMV-gerechte Planung bereits in der Konstruktionsphase. So lassen sich spätere Ausfälle oder Fehlfunktionen vermeiden und der Wartungsaufwand deutlich reduzieren.

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Abschirmung richtig anschließen – Praxis-Tipps

Selbst die beste Abschirmung verliert ihre Wirkung, wenn sie unsachgemäß angeschlossen wird. Oft sind es kleine Montagefehler, die den Schutz kompromittieren:

  • Unzureichende Erdverbindung (z. B. nur punktuelle Anbindung über Litzen)
  • Nur einseitige Schirmanbindung bei beidseitig störkritischer Umgebung
  • Zu lange freigelegte Schirmbereiche zwischen Kabelmantel und EMV-Komponente
  • Verwendung von Kunststoff-Verschraubungen ohne Kontaktfeder

Empfehlungen aus der Praxis:

  • Verwendung von EMV-Kabelverschraubungen mit umlaufender Kontaktfeder
  • Direkte Anbindung an PE-Schiene oder EMV-Bügel im Schaltschrank
  • Minimierung der Schirmabstände zur Masse – so kurz wie möglich, so flächig wie möglich
  • Beidseitige Schirmanbindung bei Frequenzumrichtern und Motorleitungen obligatorisch

Ein durchgängiges Konzept von der Schirmung über die Kabelverlegung bis zur Erdung ist essenziell für einen wirksamen EMV-Schutz.

EMV beginnt mit der Verkabelung

Elektromagnetische Störungen sind eine oft unterschätzte Gefahrenquelle in der Industrieautomation. Sie können zu fehlerhaften Messwerten, unerklärlichen Ausfällen, Kommunikationsproblemen oder sogar zum Stillstand kompletter Anlagen führen. Wer auf eine sorgfältige Abschirmung, strukturierte Kabelbündelung und fachgerechte Verlegung achtet, schützt nicht nur seine Technik – sondern auch Produktivität, Qualität und Sicherheit.

Bei der Auswahl geeigneter Kabel sollten Sie nicht nur auf die elektrischen Eigenschaften achten, sondern gezielt auf den EMV-Aspekt: geschirmte Ausführungen, zugelassene EMV-Komponenten und eine saubere Trennung der Funktionsebenen sind dabei unverzichtbar. Bereits einfache Maßnahmen – wie das konsequente Trennen von Steuer- und Energiekabeln – zahlen sich langfristig aus.

Setzen Sie auf strukturierte Planung, hochwertige Produkte und passende Komponenten aus unserem Portfolio – etwa geschirmte Steuerleitungen, EMV-Kabelverschraubungen oder vorkonfektionierte Leitungssysteme mit geprüfter Schirmanbindung. So schaffen Sie einen durchgängigen EMV-Fokus – für mehr Prozesssicherheit und weniger Störanfälligkeit in Ihren Industrieanlagen.